Raum schaffen für einen Neuanfang
Heute kann ich neu anfangen. Schon wieder?!
Newsletter Nummer 19, 22. Juni 2021
Heute kann ich neu anfangen.
Schon wieder?!
Letzte Woche wurde ich beim Lesen eines ohnehin schon faszinierenden Buches „Wage zu träumen“ von Papst Franziskus noch auf den letzten Seiten ganz aufs Neue aufgerüttelt. Wenn du denn Teil einer besseren Welt sein willst, so schloss der Papst seine Reflexionen, dann biete heute noch jemandem deine Hilfe an:
„Wenn du einen Ruck verspürst, dann halte inne und bete. Lies das Evangelium, wenn Du ein Christ oder eine Christin bist. Oder (wenn Du eine andere Überzeugung hast) schaffe in dir selbst Raum, um zu hören. Öffne dich…. dezentriere dich… transzendiere.
Und dann handle: Rufe an, mache einen Besuch, biete deine Hilfe an. Auch wenn du nicht weißt, was genau zu tun ist, biete deine Hilfe an.“ (S. 174)
Ich hab‘ s tatsächlich gemacht, eigentlich war es nur einer kleiner Schritt. Zuerst die Stille und dann ein Anruf. Irgendwie ein heiliger Moment, wirklich ein Neuanfang. Der Blick auf die Welt verwandelte sich schlagartig.
SOS
Dabei musste ich auch an einen dieser kleinen und doch so wichtigen Neu-Anfänge vor mehr als 30 Jahren in Paris zurückdenken, als ich dort ein Projekt der Gemeinschaft Emmanuel kennenlernte, das auch viel mit Anrufen zu tun hatte. In diesem Fall mit Angerufen-Werden und danach Stille.
Jemand hatte die Idee, allen, die irgendeine Art von persönlichem Notfall erleben, einfach eine Telefonnummer anzubieten, bei der sie anrufen und um das stille Gebet bitten könnten. Bald fand man an allen möglichen Orten in Paris Aufkleber mit einer Telefon-Nummer und den Worten „SOS Prière“.
Durch einen seltsamen Zufall wurde die Nummer bei einer Radio-Nachrichtensendung erwähnt und gleich meldeten sich unzählige Menschen bei dieser Nummer mit ihren Anliegen. Das hat bis heute nicht aufgehört.
Erfüllter Raum
Es hat mich wirklich bewegt, als ich damals den schlicht dekorierten Raum in einem Pariser Wohnhaus, umfunktioniert zu einer kleinen Kapelle, besuchte. Tag und Nacht machten Freiwillige in Stundentakt Dienst, und mit einem Telefon in der Hand nahmen sie Anrufe und damit Anliegen entgegen. Nicht mehr und nicht weniger. Beim zaghaften Hineinschauen in diesen besonderen Raum hörte man wohl das Murmeln vom Telefonieren, aber alles war in eine geheimnisvolle Stille gehüllt. Zwischen den Anrufen war es natürlich ganz still. Und gleichzeitig war auf eine eigentümliche Weise der Raum ganz gefüllt – mit zahlreichen Fürbitten, mit einem stillen stellvertretenden Eintreten für die vielen und all ihre Nöte. Mittlerweile gibt es das in vielen Ländern der Welt.
Darf ich wieder aufs Neue einladen, heute neu anzufangen? In dir selbst „Raum zu schaffen, um zu hören“ und dann aus der Stille heraus Hilfe anzubieten oder nach dem Handeln in Stille und Fürbitte zu gehen.
Alles Gute und herzliche Grüße,
Otto Neubauer
mit Maja Schanovsky und Team